Altdorfer und Piranesi auf der Grossbaustelle
Das ist wirklich kaum zu fassen: Ein undurchdringliches Gewirr von Stangen, Röhren und Platten breitet sich vor uns aus und öffnet sich in eine schier unendliche Weite, vor der uns schwindelt. Schrägen reissen unseren Blick jäh in die Höhe, in der auf leichtem Gestänge windschiefe Hütten balancieren. Weder die räumliche Ausdehnung noch der Reichtum an Details sind in Katrin Günthers monumentaler Zeichnung Zum Boden am See von 2015 zu fassen. (...) Den ausgreifenden Schwung der phantastischen Konstruktionen sieht man nur aus einer grösseren Distanz; die Details hingegen nur aus der Nähe, wodurch sich der Blick im Formengewirr verliert und der Zug in die Raumtiefe umso dramatischer wird. Denn erst durch den Blick auf das Detail kann man die Grössenverhältnisse und damit die Erhabenheit der wilden Konstruktionen erkennen. So erklärt sich das Unbehagen mancher Betrachterinnen und Betrachter vor Günthers Zeichnungen. Denn sie werden plötzlich der unermesslichen Tiefe gewahr, in welche der Blick abstürzt oder der schieren Masse, die wie ein Damoklesschwert über ihnen hängt und angesichts der dynamischen Schwünge auf sie hinabzustürzen droht. Diese Merkmale, die konkurrenzierenden Sichtweisen oder den Eindruck von Gefährung und Erhabenheit, haben Günthers jüngste Werke mit Giovanni Battista Piranesis Carceri von 1745-50 gemein. (...) Ihre jüngsten Werke sind Bilder einer globalisierten, immer komplexer erscheinenden Welt mit ungeplant und unplanbar wuchernden Mega-Cities, deren Entwicklung bedrohlich und dynamisch zugleich wirkt. Heinz Stahlhut Kunstmsueum Luzern 2016 |
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